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Nichts ist einem Schriftsteller mehr zuwider, als über sich zu schreiben. Es sei denn, er erzählt das eigene Werden, Sein und Vergehen als Kurzgeschichte, in der die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit ein kleines bisschen fliessend verlaufen. So sei es.

Geboren wurde ich am Josefi-Tag des Jahres 1960 in der Münchner Maistrasse. Die Geburtsklinik lag direkt neben dem Alten Münchner Südfriedhof. Die Nähe zu diesem Leichenacker prägte mich. Am Tod kann ich nichts Schlechtes finden. Hätte er nichts Gutes, es gäbe ihn nicht.

Die Schulzeit – ein Debakel. Immer wieder sitzengeblieben trotz mehrheitlich passabler Lehrer. Vor allem wegen katastrophaler Noten in Mathematik, Physik, Chemie, Geographie, Musik, Zeichnen, Biologie, Werken ... Als ich glaubte, ein weiterer Abstieg wäre unmöglich, begann ich eine dreijährige Lehre als Konditor. Und lernte: Der Abstieg war möglich!

Während der folgenden Jahre plagten mich tagsüber und nachts Albträume wegen eines jähzornigen und tyrannischen Lehrmeisters. Der Mann verfolgte mich buchstäblich im Schlaf. Und so beschloss ich nach dem knappen Erhalt des Gesellenbriefs, nie wieder eine Konditorei zum Zwecke des Broterwerbs zu betreten. Ich blieb mir treu.

Meine ersten Gehversuche als Journalist erfolgten bei «Dokument & Analyse», einem Monatsmagazin, das bald nach meinem Weggang einging. Es folgten zwei Jahre als freier Journalist und schrieb für in- und ausländische Tages- und Wochenzeitungen als deren Münchner Korrespondent und wagte mich auch einmal an ein Lexikon.

«Können Sie für uns ein Computerlexikon schreiben?», fragte mich die Lektorin eines angesehenen Verlags.

«Klar, kein Problem. Kann ich», antwortete ich.

Die Lektorin war hübsch. Von Computertechnologie hatte ich keinen blassen Schimmer. Woher auch? Man schrieb das Jahr 1982.

Also schrieb ich auf meiner Olympia-Schreibmaschine das Computerlexikon. Genauer: Ich klaute, was andere Computerlexika hergaben, formulierte die Einträge um, schickte das Manuskript nebst Rechnung an den Verlag und lud die Lektorin per handgeschriebenem Brief zum Essen in ein Restaurant ein.

Ich rechnete mir sehr gute Chancen aus.

Kurz danach rief sie an: «Sie haben nicht einmal die Hälfte der verlangten Zeichenzahl geliefert. Wir haben ein Problem.» Irgendwie hatte mich mein mathematisches Genie beim Ausrechnen der Zeichenzahl getäuscht. 

Die Lektorin konnte rechnen! Sie kürzte mein Honorar auf zwei Zehntel.

Wer nicht rechnen kann, wird Wirtschaftsjournalist. Das wurde ich. Beim «Industriemagazin» in München, blieb es drei oder vier Jahre. Das Blatt wurde eingestellt, kurz nachdem ich gekündigt hatte. Ich trage keine Schuld daran.

Zu diesem Zeitpunkt war ich schon beim Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz». Das waren fünfeinhalb wunderschöne Jahre, weil ich dort machen konnte, was ich wollte. Schon nach dem zweiten grossen Artikel, belegte mich ein renommiertes Unternehmen mit Hausverbot. Derartige Fälle häuften sich. Die Chefredaktion und die Redaktionskollegen nahmen es mir wegen meiner guten Geschichten nicht übel. Die Anzeigenabteilung schon.

1994 verliess ich den Journalismus, arbeitete für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, verdiente gutes Geld. Bis mir meine innere Stimme sagte: «Komm, schreib wieder. Aber diesmal Bücher! Erzähle Geschichten. Das ist es, wonach die Welt sich sehnt!» 

Hier bin ich.

Und dabei bleibe ich.

 

Gestern rief die Lektorin an. Jene, die rechnen konnte. Sie hat «Hidschra» gelesen und will mich sehen. Was für ein Glück!